«Es braucht mehr Menschen, die beide Welten verstehen»

Inselspital
800px Inselspital Universitatsspital Bern Managementkompetenzen in Spitälern sind gefragt. Dr. med. Ronald Vonlanthen absolviert einen Executive MBA bei Rochester-Bern. Seine Erfahrungen zeigen, dass es in Spitälern mehr «Brückenbauer» wie ihn braucht.

Betriebswirtschaftler und Mediziner denken anders. Während in der Betriebswirtschaft das Unternehmen im Fokus steht, ist es in der Medizin die Gesundheit des Patienten, der Patientin. Dr. med. Ronald Vonlanthen kennt beide Seiten. Er hat eine erfolgreiche Karriere als Arzt verfolgt und gleichzeitig mehrere Management-Weiterbildungen abgeschlossen. Aktuell arbeitet er als Bereichsleiter QSPM (Qualität, Sicherheit, Prozessmanagement) am Inselspital Bern. Auch in dieser Funktion verbindet er seine Erfahrungen als Arzt mit seinem Managementwissen und trägt dadurch zu einer besseren Zusammenarbeit der beiden Bereiche bei.

Spitäler im Wandel

Die Einführung der neuen Spitalfinanzierung 2012 hat einen Wandel angestossen. Seither werden Spitäler nicht mehr als Institutionen finanziert, sondern deren effektive Leistung am einzelnen Patienten wird abgegolten.

Die Spitäler haben unterschiedlich schnell auf diese neuen Rahmenbedingungen reagiert. Generell ist aber ein Trend zu mehr betriebswirtschaftlichen Strukturen erkennbar, mithilfe von IT wird auf Standardisierung gesetzt: «Heute gibt es einheitliche analytische Systeme. Diese ermöglichen eine bessere Prozessübersicht und -steuerung», sagt Vonlanthen.

In allen Bereichen spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Ein Beispiel: «Der Informationsaustausch wird sich weiter verbessern. Wichtige Patienteninformationen, wie z.B. Allergien werden immer häufiger zentral gespeichert», erklärt Vonlanthen. Dadurch würden Prozesse beschleunigt und Fehler vermieden.

Ein weiterer Trend ist der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Vonlanthen gibt ein aktuelles Beispiel: «Es wird an einem Algorithmus geforscht, der Lungengeräusche abhören und dadurch Covid-19 diagnostizieren kann». Die künstliche Intelligenz habe somit das Potenzial, künftig Teile der ärztlichen Tätigkeit zu übernehmen.

Hemmende Faktoren

All diese Veränderungen stellen die Spitäler vor grosse Herausforderungen. Zudem gibt es einige Faktoren, die den Wandel erschweren.

Hierzu würden veraltete Strukturen gehören: «Früher wurden Spitäler einfach nur verwaltet und nicht geführt. Das Problem ist, dass in einigen Spitälern diese Verwaltungsstrukturen weiterhin verankert sind», sagt Vonlanthen. Hinzu komme, dass viele Spitäler im Spannungsfeld der Politik stünden. Sie seien von den Entscheidungen politischer Gremien abhängig, was Entwicklungsschritte verlangsamen oder sogar verhindern könne.

Fast verheerender seien aber die Spannungen in den Spitälern selbst. «Das medizinische Personal und die Administration haben ganz andere Ansichten, Kulturen und sogar Sprachen. Die Ärztinnen und Ärzte sowie die Pflegenden haben das Wohlergehen der behandelten Menschen im Fokus. Die Personen in der Administration hingegen legen den Fokus oftmals auf das Überleben des Spitals selbst», so Vonlanthen. Diese Unterschiede würden zu Missverständnissen führen, die Organisation erschweren und Prozesse lähmen. Vermittler, die beide Seiten verstünden, gebe es aktuell kaum.

Brückenbauer gesucht

Das Executive MBA bringe ihm in diesem Kontext in mehrfacher Sicht Nutzen, stellt Vonlanthen fest. Er fühle sich nicht nur in der Führung und bei sämtlichen Management-Themen sicherer, sondern auch in den Finanzen: «Heute kann ich als Arzt eine Bilanz oder eine Erfolgsrechnung lesen und sehe schnell, wo die Schwierigkeiten und Probleme liegen», sagt Vonlanthen. «So kann ich jetzt mit einer Person aus dem Finanzbereich ein Gespräch auf Augenhöhe führen». Ausserdem habe ihm der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Branchen die Augen geöffnet für neue Lösungen.

Genau dieses interdisziplinäre Wissen, den Austausch und die neuen Lösungsansätze haben Spitäler dringend nötig, wenn sie mit den anstehenden Veränderungen zurechtkommen wollen. «Es braucht mehr Menschen, die beide Welten verstehen. Ich bin im Herzen Arzt, aber dank meinen betriebswirtschaftlichen Weiterbildungen begreife ich, was Personen aus anderen Bereichen brauchen und vor welchen Herausforderungen sie stehen», erklärt Vonlanthen.

Weiterbildungen wie ein Executive MBA können Ärztinnen und Ärzten helfen, sich die nötigen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse anzueignen, um im Spitalkontext als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Bereichen zu agieren und neue Lösungsansätze einzubringen. Dadurch erweitern sie nicht nur ihren eigenen Horizont, sondern tragen auch zu einer besseren Funktion der Gesamtorganisation bei.