„Gemeinsam für eine vielfältige Zukunft“

Diversität
Das 3. Modul des CAS Leadership & Inclusion von Rochester-Bern fand am 5. und 6. September 2023 statt, diesmal geleitet von der Diversitätsexpertin Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott aus Düsseldorf. Im Fokus stand die Umsetzung einer ehrlichen und nachhaltig funktionierenden Diversitätsförderung und Chancengleichheit als Grundlage für eine inklusive Führungs- und Unternehmenskultur.

Kommunikation, Wahrnehmung und Umsetzung in der Diversitätsförderung

So offensichtlich wie es in meiner Überschrift scheint, sollten diese Dinge in einer Führungsrolle klar und einfach gelebt und umgesetzt werden können – aber funktioniert das im Alltag? Nach dem letzten Seminar mit dem Themenschwerpunkt Führung und Selbstführung war ich sehr gespannt auf dieses 3. Modul der Weiterbildung. Erneut wurden verschiedene Experten und Expertinnen als Gäste eingeladen, um in ihren Referaten Einblicke aus ihren beruflichen Erfahrungen mit uns zu teilen.

Aktuell fühle ich mich selbst wie eine Person, die von Diversitätsförderung profitieren würde. Ich bin eine frischgebackene Mutter, die gleichzeitig eine Weiterbildung absolviert. Dies ist einerseits wunderschön und andererseits eine Herausforderung. Nichts richtet sich mehr wirklich nach meinem inneren Bedürfnis, sondern ich passe mich den Gegebenheiten an.

Meine aktuelle und vorübergehende persönliche Situation hat meine Wahrnehmung geschärft, dass ich jetzt den vielleicht gewagten Vergleich ziehe zu «echt» diversen und/oder beeinträchtigten Menschen, die täglich mit Barrieren, Vorurteilen, verletzenden oder missverständlichen Kommunikationsformen konfrontiert werden. Es macht mir etwas sehr deutlich: Wir alle können einmal in eine Situation kommen, in der wir uns behindert, benachteiligt oder blockiert fühlen im Vergleich zur Gesellschaft und unserem Umfeld. Dass so etwas ganz normal sein und „Platz“ haben darf, wäre mein Wunsch für die Zukunft unserer Gesellschaft. Bei mir ist es ein vorübergehender Zustand und ich möchte daraus lernen, in welcher Weise ich in meiner Rolle als Führungsperson mit einem Team, in dem Diversität und Inklusionsanforderungen auch meinen beruflichen Alltag beeinflussen, gestärkt werden kann.

Die Diversitätsexpertin Prof. Dr. Fabiola H. Gerpott, die dieses Modul leitete, machte einen starken Eindruck auf mich. Sie betonte die Bedeutung echter vorurteilsfreier Wertschätzung und Rücksichtnahme gegenüber Individuen. Anfänglich hatte ich gedacht, es wäre doch eigentlich klar, dass wir in den Betrieben, in der Politik, im Gesundheitswesen auf solche Aspekte achten sollten. Mit ihrer Präsenz und ihren eigenen fachlichen Beiträgen, sowie denjenigen der ausgewählten Gastreferent/-innen hat uns Fabiola H. Gerpott sehr überzeugend die Erkenntnis näherbringen können, wie vielfältig dieses ganze Thema in unserem Alltag vorhanden ist: In der Umsetzung gibt es hier aber noch «viel Luft nach oben».

 

Hilfe anbieten und selbst Hilfe annehmen

Während des Moduls hatten wir Isabelle Lemontagne-Müller zu Gast. Sie ist die Geschäftsführerin der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie und ist selbst seit einem Unfall in jungen Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen. Durch sie habe ich zum Beispiel erfahren, warum es im ÖV einerseits einigen Abteilen reservierte Plätze für Rollstuhlfahrer gibt, aber kaum Rollstuhlfahrer in einem normalen Zug anzutreffen sind. Es sind hier die baulichen Massnahmen, die oft nicht zu Ende gedacht worden sind. Sie bevorzugt das Auto, weil sie auf diese Art besser und vor allem selbständig von A nach B kommen kann. Aber auch im Unigebäude selber, hat ein Rollstuhlfahrer erschwerte Umstände.

Wir erlebten dies auch mit dem Kinderwagen: Es gibt verschiedene Eingänge, die nur via Treppe erreicht werden können. Mit dem Kinderwagen oder einem Rollstuhl muss man um das ganze Gebäude herum zu einem Lift finden, den man benützen kann. Bevor wir dies entdeckt hatten, waren wir auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen, die uns dabei unterstützten, den Kinderwagen die Stufen hochzutragen. Das Gleiche erlebten wir im ÖV am Bahnhof. Es gab spontane Angebote zur Hilfestellung, aber auch Menschen, die uns gar nicht beachteten oder bewusst in eine andere Richtung schauten.

Ich selbst muss gestehen, dass ich es manchmal schwierig finde, zu erkennen, ob ich jemandem meine Hilfe anbieten sollte oder nicht. Ich möchte die Kompetenz des Anderen nicht in Frage stellen. Anhand eines persönlichen Beispiels hat Isabelle Lemontagne-Müller uns eine einleuchtende, einfache und klare Verhaltensregel vorgeschlagen, nämlich die Betroffenen selbst danach zu fragen und ihre Antwort ernst zu nehmen. Ihr Motto: „Redet mit uns – nicht über uns“! Umgekehrt dürfen wir die Erwartung haben, dass wer Hilfe braucht, auch danach fragt. Die meisten Menschen fühlen sich ja gut, wenn sie anderen helfen dürfen.

 

Die eigenen Vorurteile bewusst wahrnehmen und hinterfragen

Das sollte für uns doch selbstverständlich sein und sicher tun wir das auch alle – jedenfalls meistens. Doch ehrlich gesagt, habe auch ich erst kürzlich jemanden vorschnell beurteilt. In einem vollen Zug sass ich neben einem Mann mit einer Bierdose, der auf den ersten Blick einen eher verlebten Eindruck machte. Nachdem ich mit meiner Kleinen in der Tragehilfe eine beruhigende Runde gedreht hatte, fand ich zurückkommend meine Mutter in angeregtem Gespräch mit diesem Mann. Er erzählte von seinem beruflichen Werdegang, in dem er es vom Schneider bis zum Ausbilder und Modedesigner an einem renommierten Institut geschafft hatte. Es imponierte mir sein Stolz, dass er es so weit gebracht hatte.

Fazit: es war eine sehr bereichernde Zugfahrt und ich weiss nicht, ob ich so viel über diesen Beruf erfahren hätte, ohne meine Mutter, die so offen und neugierig Kontakt geknüpft hatte. Dieses Erlebnis hat mir wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, nicht vorschnell zu urteilen und sich den eigenen stereotypen Denkweisen bewusst zu sein. Nur so können wir achtsam mit diesen umgehen.

Insgesamt war das dritte Modul des CAS Leadership & Inclusion eine inspirierende Erfahrung, die mein Verständnis für Diversität und Inklusion vertieft hat. Es hat mich dazu ermutigt, aktiv an der Förderung von Vielfalt und Inklusion sowohl im beruflichen Kontext als auch im Alltag teilzunehmen. Es gibt noch viel zu tun, um diese Prinzipien in die Tat umzusetzen, und zwar nicht nur auf theoretischer Ebene, sondern konkret im betrieblichen Führungsalltag. Lasst uns die Herausforderungen annehmen und gemeinsam eine inklusivere Zukunft gestalten!