An dem Event “Open your Horizon” vom 26. August 2023 haben fast 100 Alumni/-ae von Rochester-Bern und der Universität Bern teilgenommen. Sie konnten an sechs Voträgen von Referierenden aus unterschiedlichen Bereichen zum Thema Nachhaltigkeit lauschen und sich in den Pausen an Ständen von innovativen Unternehmen inspirieren lassen, die erklärten was sie zu einer umweltfreundlicheren Zukunft beitragen. Der Event fand in den Räumlichkeiten der von Roll Universität in Bern statt und wurde mit einem nachhaltigen Networking Apéro abgeschlossen. Die wichtigsten Kernaussagen der Referierenden sind in den folgenden Abschnitten zusammengefasst.
Prof. Dr. Karl Schmedders: Klimawandel – das grösste Marktversagen aller Zeiten
Der Klimawandel ist längst zu einem gesellschaftlichen und politisch geladenen Thema geworden. Während einige noch immer den Klimawandel leugnen, kleben sich andere auf die Strasse, um auf die verehrenden Folgen der Erderwärmung aufmerksam zu machen. Prof. Dr. Karl Schmedders, Professor für Finanzen beim IMD Schweiz und bei Rochester-Bern nimmt gegenüber dem Klimawandel eine technokratische VWL-Perspektive ein: kein Moralisieren, sondern harte Fakten. Fazit ist, der Klimawandel existiert und er ist menschengemacht. Dies zeigen sämtliche Zahlen.
Wie ist es dazu gekommen und weshalb fällt es den Menschen so schwer, richtig zu handeln und das Schlimmste zu vermeiden? Gemäss Schmedders gibt es drei Erklärungen dafür. Die erste ist das Phänomen der Externalitäten und lässt sich anhand des Beispiels von Zement veranschaulichen. Die Produktion von Zement verursacht Unmengen an CO₂, dessen negativer Effekt nicht im Preis des Produktes inbegriffen ist. Daraus resultiert, dass auch kein Anreiz gesetzt wird, weniger davon zu produzieren und den CO₂ Ausstoss zu reduzieren.
Die zweite Erklärung ist die Tragödie der Allmend, die am besten anhand von Bauern und ihren Schafen erklärt wird: Wenn mehrere Bauern eine Wiese für ihre Schafe zum Weiden nutzen, dann hat jeder Bauer ein Interesse daran, seine Schafe möglichst viel davon essen zu lassen – auch wenn dies bedeutet, dass die Wiese dadurch kaputtgeht. Wenn er es nicht tut, essen schliesslich die Schafe des anderen Bauern die Wiese weg. Diesen Teufelskreis könnte nur durchbrochen werden, wenn die Bauern kooperieren. Ähnlich ist es mit unserer Erdatmosphäre, damit Unternehmen und Länder ein Interesse daran hätten, deren Verschmutzung zu stoppen, müssten sie kooperieren, sonst sind sie gegenüber den anderen im Nachteil.
Eine letzte Erklärung, weshalb wir uns schwertun, den Klimawandel zu bekämpfen, ist die Tragödie des Zeithorizonts. Politiker und CEOs nehmen ihre Position meist nur 4-7 Jahre ein. Ihr Interesse liegt somit darin, in dieser Zeit möglichst viel für sich herauszuholen. Der Klimawandel wird sich aber erst in 20-50 Jahren in verheerendem Masse zeigen. Auch wenn wir also jetzt damit beginnen müssten, die negativen Konsequenzen vorzubeugen, ist der Anreiz dafür bei Entscheidungspersonen nicht vorhanden.
Antoinette Hunziker-Ebneter: Nachhaltigkeit im Finanzsektor
«Seit dem 3. August lebt die Welt auf Pump – das heisst, wir nutzen mehr Ressourcen, als unser Planet im selben Zeitraum erneuern kann», sagt Antoinette Hunziker-Ebneter, CEO und Mitgründerin von Forma Futura Invest AG. Der Finanzsektor kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die biophysische Kapazität der Erde zu erhöhen und die direkt daran gekoppelte Lebensqualität zu fördern. Hunziker-Ebneter empfiehlt daher, dass sämtliche Gremien, wie Geschäftsleitung oder Verwaltungsrat alle Entscheidungen aus drei Blickwinkeln betrachten: Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Dadurch wird die Umwelt ein allübergreifendes Thema, das immer mitbedacht wird.
Die Finanzindustrie kann in ihren zwei Kerngeschäftsfeldern einen wesentlichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten: Bei der Anlage von Geldern und bei der Kreditvergabe. Die Auswirkungen bei beiden Geschäftsbereichen betreffen viele Nachhaltigkeitskriterien. Bei der Geldanlage geht es darum, dass Geld nur in nachhaltige und finanziell solide Unternehmen investiert wird. Um dies sicherzustellen, wenden nachhaltige Finanzdienstleister wie Forma Futura oder die BEKB in ihren Anlageinstrumenten ein generelles Ausschlussverfahren an, wie z.B. für Hersteller und Händler von geächteten Waffen oder Unternehmen im Geschäftsfeld der fossilen Brennstoffe.
Beim zweiten Kerngeschäftsfeld, der Kreditvergabe, setzt die BEKB bspw. Integrität und die Einhaltung von ethischen und ökologischen Grundsätzen voraus. Auf die Finanzierung von Projekten, die sich negativ auf die Nachhaltigkeit auswirken, wird verzichtet. «Da muss man auch einmal ‘nein’ sagen können», so Hunziker-Ebneter. Dies erscheint im ersten Augenblick schwierig zu sein, doch Hunziker-Ebneter ist überzeugt, dass es sich für Finanzinstitute auszahlt, wenn sie den Mut haben, Kreditgesuche von Firmen abzulehnen, welche die von der BEKB festgelegten Nachhaltigkeitskriterien nicht erfüllen. Dadurch werden allfällige Reputationsrisiken reduziert und die Glaubwürdigkeit der Bank gesteigert. Grundsätzlich gilt bei Unternehmen wie auch bei Privatpersonen, den Fussabdruck zu verringern und gleichzeitig den Handabdruck möglichst zu vergrössern. Für Unternehmen bedeutet dies, zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln, um die Sustainable Development Goals der UNO beziehungsweise sich selbst gesetzte Nachhaltigkeitsziele sowie Netto-Null-Ziele inklusive Absenkungspfad zu erreichen.
Salome Hofer: Die Nachhaltigkeit bei Coop
Die Coop-Gruppe war und ist in vielen Bereichen bezüglich Nachhaltigkeit ein Vorreiter. Bereits 1973 hat das Unternehmen den Umweltschutz in den Statuten festgehalten und 1989 brachte die Firma mit Oecoplan die erste ökologische Marke hervor. Aktuell existiert im Coop kein Sortiment, in dem es keine biologischen Produkte gibt und es wird stets an innovativen Projekten gearbeitet, wie der Produktion von Insektenprotein – eine nachhaltige Weise, um qualitativ hochstehendes Protein für die tierische Fütterung herzustellen.
«Natürlich gibt es in Bezug auf Nachhaltigkeit auch Herausforderungen und es bleibt ein ständiger Prozess», so Salome Hofer, Leiterin Nachhaltigkeit/Wirtschaftspolitik bei Coop. Ein Beispiel ist die nachhaltige Produktion von Palmöl. Coop möchte sicherstellen, dass sämtliche angebotenen Eigenmarkenprodukte Bio KnospePalmöl enthalten. «Dies konnten wir bereits bei vielen Produkten umsetzen, bei einzelnen Produkten, beispielsweise gewisse Gutzi ergeben sich aber auch Schwierigkeiten, Die Produzenten sind nicht immer bereit, diese Richtlinien umzusetzen“», so Hofer.
Ein weiteres Beispiel ist Plastik. Coop reduziert Verpackungsmaterial wo immer möglich und setzt dabei immer auf die nachhaltigste Lösung. Diese kann in gewissen Fällen auch Plastik sein, das Produkte sehr gut schützt und mit wenig Verpackungsmasse auskommt. Hinzukommt, dass einige Plastik-Alternativen gar nicht ökologischer sind oder andere Probleme mitbringen. So verhält es sich beispielsweise bei Verpackungen aus Mais: Wie sinnvoll ist es ein Produkt als Verpackung zu nutzen, das Menschen hätten essen können?
Die Coop-Gruppe ist somit ein gutes Beispiel für ein Unternehmen, dass sich konsequent und unternehmensweit für eine nachhaltigere Produktion einsetzt, hierzu nach pragmatischen Lösungen sucht und sich Schritt für Schritt verbessert. Hofer ist sich allerdings sicher: «Künftig wird es keine Nachhaltigkeitsstrategie mehr geben, weil es einfach selbstverständlich ist, dass Nachhaltigkeit in Unternehmensstrategien verankert wird».
Prof. Dr. Claude Messner: Konsum – Verführung zum Guten
Marketing hat einen negativen Ruf und wird damit in Verbindung gebracht, dass es uns zu unnötigem Konsum verführt. Ein Grund, weshalb wir mehr Kleider, Kopfhörer und Esswaren kaufen als wir brauchen, sind erfolgreiche Marketingkampagnien. Wie mächtig Marketing sein kann, lässt sich am Frühstück in den USA verdeutlichen: Während vor hundert Jahren das typisch amerikanische Frühstück aus einer Art Müesli (Porridge) bestand, ist es nun Speck und Ei. Grund dafür ist eineerfolgreiche Marketing-Kampagne eines Herstellers für Verpackungen von Speck.
Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille, denn Marketing kann genauso gut auch dafür genutzt werden, um positives Verhalten zu fördern. Dabei reicht es nicht zu informieren. Reine Informationskampagnien sind wirkungslos. Prof. Dr. Claude Messner, Direktor der Abteilung Consumer Behavior der Universität Bern und bringt es damit auf den Punkt: «Nicht das Wissen, treibt das Verhalten, sondern die Motive» und gibt hierzu die Auswahl des Essens als Beispiel: Wir wissen, dass eine Frucht, die gesündere und besser Wahl wäre, dennoch entscheiden wir uns manchmal für den Muffin.
Eine Kampagne ist nur dann erfolgreich, wenn sie sich auf ein spezifisches Verhalten einer spezifischen Zielgruppe fokussiert. Eine Lebensmittelpyramide informiert über gesunde Ernährung. Doch sie hat keinen Einfluss auf die Entscheidung was wir wann essen. Bevölkerungsgruppen unterscheiden sich, in welchen Verhaltensweisen sie von der Pyramide abweichen. Manche Jugendliche trinken zu viel Süssgetränke, manche Erwachsenen essen zu viel Fleisch und mache alte Personen weichen durch Unverträglichkeiten von der Pyramide ab. Diese Bevölkerungsgruppen unterscheiden sich auch in ihren Motiven. Genau da setzen erfolgreiche Kompagnien an und suchen nach Massnahmen, die Anreize für das gewünschte Verhalten oder Barrieren für das unerwünschte Verhalten erhöhen. Bereits kleine Anregungen können zu einer Verhaltensveränderung führen. Studien zeigen beispielsweise, dass Personen weniger Schokolade essen, wenn diese eingepackt ist, als wenn sie diese direkt in den Mund führen können. Ein weiteres Beispiel ist die Augenhöhe. Süssgetränke und Energydrinks werden seltener gekauft, wenn sie im unten im Regal stehen.
Prof. Dr. Christoph Oberlack: Nachhaltiger Kakao und Kaffee
Die Produktion von Kakao und Kaffee ist in sozialer und ökologischer Sicht oft problematisch. «Rund 90% aller Kakaoproduzenten leben ohne ein existenzsicherendes Einkommen», sagt Prof. Dr. Christoph Oberlack, Head of Sustainability Governance Impact Area, Centre for Development and Environment (CDE). Es gibt immer mehr Ansätze, wie diesen Herausforderungen begegnet werden soll. Dabei ist es nicht einfach den Überblick zu behalten, welche Ansätze am effektivsten sind.
Zertifizierte Nachhaltigkeitsstandards wie FairTrade, Rainforest Alliance oder Bio gehören zu den prominentesten Ansätzen für eine nachhaltigere Entwicklung. Die Forschung zeigt, dass sie unter bestimmten Bedingungen positive Wirkungen für Nachhaltigkeit entfalten können. Dies beispielsweise, indem sie höhere Preise und besseren Marktzugang für Kleinproduzierende fördern. Allerdings wird auch deutlich, dass Zertifikate nicht immer ausreichen, um den Nachhaltigkeitsherausforderungen gerecht zu werden. Dies beispielsweise, wenn höhere Kosten von zertifizierter Produktion nicht durch höhere Preise gedeckt werden können.
Hier kommen innovative Organisations- und Geschäftsmodelle ins Spiel. Gerade in den Kakao- und Kaffeesektoren gibt es viele relevante Innovationen. Dazu gehören beispielsweise Upgrading-Strategien, bei denen Produzierende über ihre Organisationen nicht nur «Rohstofflieferant*in» sind, sondern eine grössere Rolle in der Wertschöpfung spielen. Die Beteiligung von Bäuerinnen und Bauern am Eigentum von Firmen, die in der Herstellung und Vermarktung von Schokolade oder Kaffee beteiligt sind, kann unter bestimmten Bedingungen zu grösserer Mitsprache und Beteiligung an Wertschöpfung führen. Innovative Preismechanismen können die Verteilung von Kosten und Erträgen zwischen Akteuren in der Wertschöpfungskette ausgewogener gestalten.
Die Forschung belegt somit, dass Zertifikate und alternative Strategien auf unterschiedliche Weisen wirken, um die Produktion von Kaffee und Kakao nachhaltiger zu gestalten. Trotzdem gibt es auch Grenzen, denn nicht alle, die möchten, haben Zugang zu den Zertifikaten. Diese sind teils mit Kosten verbunden, welche lokale Produzenten nicht tragen können, oder es kann auch sein, dass keine passenden Zertifizierungen in der entsprechenden Region existieren.
Dani Arnold: Der Klimawandel auf den Berggipfeln
Dani Arnold lebt von den Bergen. Er ist Extrembergsteiger und seit 2021 – mit der Kletterbestzeit an der Petit Dru – hält er an allen sechs grossen Nordwänden der Alpen den Solo Speed-Climbing Rekord. In seiner Tätigkeit sieht und erlebt er hautnah, was der Klimawandel bedeutet, denn dieser beeinflusst unsere Schweizer Bergwelt radikal. Bilder zeigen beispielsweise, dass die Eigernordwand im Juli 1974 noch voller Schnee und Eis war. Im Jahr 2022 um die gleiche Jahreszeit ist sie nur noch graues Geröll – der Klimawandel ist mit blossen Augen eindrücklich sichtbar.
Für Dani Arnold bedeutet dies zum Glück noch nicht, dass er gar nicht mehr klettern kann – erst im Juli 2023 hat er als Erster an einem Tag alle drei Grate des Salbit alleine und teils ungesichert geklettert – es bedeutet aber, dass das Zeitfenster, in welchem das Klettern sicher ist, immer kleiner wird und dass zunehmend Vorsicht geboten ist.
«Ich bin da unterwegs, wo es gefrorene Eis haben sollte», sagt Dani Arnold. Nur leider werden diese Bereiche immer kleiner. Wir alle können aber etwas dagegen tun, sei es auch nur in kleinen Schritten. Gewisse Perspektiven auf die Nachhaltigkeit stimmen positiv, andere wirken eher frustrierend. Nichtsdestotrotz gibt es genügend Gründe, noch heute damit zu beginnen, mehr für eine nachhaltige Zukunft zu tun.