«Strategie geht nicht ohne Innovation und Innovation geht nicht ohne Strategie», sagt Prof. Dr. Marc Gruber am CAS Verwaltungsrat. Das seien zwei Seiten derselben Medaille. Umso wichtiger sei es, dass Führungskräfte das Thema systematisch angehen. Frameworks können dabei helfen – sie geben Denkanstösse und schaffen Klarheit.
Eine Möglichkeit, über Innovation nachzudenken, besteht darin, sich eine Skala vorzustellen: Am einen Ende sind die Fakten, Entscheidungen basieren auf Erfahrung und es ist viel Wissen vorhanden. Am anderen Ende der Skala basiert alles auf Annahmen, die Situation ist unsicher und unklar, weder die Technologie noch die Kundschaft sind bekannt. Je nach dem wo man sich auf dieser Skale befindet, können zwei Arten von Innovationen unterschieden werden:
Warum ist es wichtig zu wissen, in welchem Innovationsbereich sich ein Unternehmen befindet? Weil es Einfluss darauf hat, wie die Mitarbeitenden arbeiten und wie das Unternehmen strukturiert ist: Welche Mitarbeitenden arbeiten wann an Innovationsprojekten? Wie sind die Prozesse? Etc. «Es ist eine strategische Entscheidung, in welchem Innovationsfeld sich ein Unternehmen bewegen will», sagt Gruber.
Es genügt nicht, eine gute Idee zu haben, sondern es bedarf vieler Faktoren, um eine erfolgreiche Innovation umzusetzen. Sie muss zum richtigen Zeitpunkt entstehen und vor allem zu den Menschen gebracht werden. «Innovation ist Erfindung und Kommerzialisierung», sagt Gruber. Ein Beispiel sind die Rollschuhe, die erfunden wurden, als es noch kaum asphaltierte Strassen gab. Kein Wunder, dass sie damals kein Erfolg waren. In den 90er Jahren kam dann das grosse Comeback.
Grundsätzlich ist jetzt die beste Zeit für Innovationen, denn der technologische Möglickeitsspielraum war noch nie so gross. Wenn eine neue Innovation entsteht, ist sie anfangs meist sehr teuer und daher nur begrenzt einsetzbar. Mit zunehmender Erfahrung sinkt der Preis. DNA-Analysen zum Beispiel waren anfangs so teuer, dass sie sich kaum jemand leisten konnte. Heute kann man für 70 Franken einen DNA-Test seines Hundes machen lassen. Dies zeigt, dass mit sinkendem Preis der Anwendungsbereich stark zunimmt.
Nicht nur der Preis für ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung, sondern auch die Nachfrage kann explodieren. Im Fall von Chat GPT dauerte es nur fünf Tage, bis das Tool die Millionengrenze an Nutzer/-innen überschritten hatte. Die Lehre daraus: Wenn etwas nützlich ist, spricht es sich schnell herum.
Es kann auch in die andere Richtung gehen. Die Zeitungsbranche beispielsweise hat sich zu lange auf ihren Erfolgen ausgeruht. Als die Digitalisierung einsetzte, war sie technologisch nicht in der Lage, darauf zu reagieren. Die Werbeumsätze sind deshalb in den 2000er Jahren stark eingebrochen.
Auch die Musikindustrie wurde von mehreren disruptiven Innovationen erfasst. Von der Schallplatte zur CD, zu Sharing Plattformen, zu Streaming. Eine radikale Innovation jagte die nächste, was zeigt, dass sich die Branchen auch darauf einstellen müssen, dass auch schnell aufeinander radikale Innovationen folgen können.
Das Paradebeispiel für das Verpassen einer Innovation ist jedoch Nokia. Noch 2007 wurde der CEO des Unternehmens im Forbes Magazine mit der Überschrift „Kann jemand den Cellphone King aufholen?“ abgebildet. Und die Antwort war: Ja. Kurz darauf kam die Konkurrenz und zwar nicht nicht von anderen Handy-Mitbewerbern, sondern aus der Computerbranche (Apple und Samsung) mit dem Smartphone. Innerhalb von nur 5 Jahren ging Nokia unter.
Damit das eigene Unternehmen nicht wie Nokia endet, ist es hilfreich, die Situation von Zeit zu Zeit einzuordnen und sich zu fragen, in welchem Viertel der Nachfrage- und Technologieunsicherheit man sich befindet:
Grafik: Unternehmen können sich überlegen, wo sie sich in Bezug auf Technologie- und Nachfragesicherheit befinden und entsprechende Massnahmen vornehmen.
Das Management kann darüber nachdenken, wo das Unternehmen steht und entsprechende Massnahmen ergreifen. Natürlich kann auch bewusst versucht werden, in einen anderen Bereich zu wechseln. Ein Beispiel ist Apple, eine Branche, in der die Nachfrage eigentlich sehr unsicher ist, aber der Konzern hat es geschafft, durch die Apple-Welt (zusammenhängende Produkte und Dienstleistungen, die nur in dieser Welt optimal funktionieren) eine gewisse Kundensicherheit zu schaffen. Folgende Massnahmen können Unternehmen in den entsprechenden Bereichen vorbehmen:
Unternehmen, die sich in einer Situation befinden, in der sowohl die Nachfrage als auch die Technologie gesichert sind, sollten versuchen, diese Situation beizubehalten. Die grösste Gefahr in diesem Bereich ist, dass sich das Management zu bequem zurücklehnt und wichtige Entwicklungen verpasst. Daher ist es sinnvoll, auch in diesem Bereich die Augen offen zu halten, Veränderungen zu beobachten und entsprechend zu reagieren.
Wenn in einem Unternehmen die Nachfrage sicher und die Technologie unsicher ist, dann sollte man mit der technologischen Innovation Schritt halten, hier investieren und auf dem Laufenden bleiben. Ist die Nachfrage sicher, ist es erneut wichtig, sich nicht darauf auszuruhen, sondern trotzdem auf dem Laufenden zu bleiben.
Ist die Nachfrage unsicher und die Technologie sicher, hilft es die Marktnähe sicherzustellen und in die Loyalität der Kund/-innen zu investieren. In der Produktion ist meist eine Standardisierung und Automatisierung möglich und die Technologie sollte beobachtet werden.
Wenn die Nachfrage und die Technologie unsicher sind, bedeutet dies, dass man sich oft in sehr neuen Märkten bewegt, wie z.B. beim Quantencomputing, wo man weder die Grösse des Marktes noch das Potenzial der Technologie kennt. Hier ist es wichtig, in Szenarien zu denken, Entscheidungen auf Basis von Annahmen zu treffen und das Cash Management im Auge zu behalten. Es ist auch hilfreich, schnell aus Fehlern zu lernen, und Partnerschaften und Netzwerke können Sicherheit bieten.
Am Ende fast Gruber, die Wichtigsten Erkenntnisse zusammen:
Mehr Inputs für Verwaltungsrät/-innen gibt es in der Weiterbildung CAS Verwaltungsrat.