Stefanie Käser und Olivia Perret sind Co-Leiterinnen der Stiftung Profil Bern und Fribourg. Die Organisation setzt sich dafür ein, dass der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt barrierefrei gestaltet wird. Hierzu beraten und begleiten sie Unternehmen. Isabelle Lamontagne-Müller, ist Geschäftsführerin der SPOG. Sie hatte in jungen Jahren einen Skiunfall und ist seither querschnittgelähmt. Im Rollstuhl absolvierte sie den CAS Verwaltungsrat Rochester-Bern. Am CAS Leadership & Inclusion sprach sie zusammen mit Käser und Perret über inklusives Arbeiten. Hier einige ihrer wichtigsten Inputs für Arbeitgebende:
Eine erste wichtige Erkenntnis ist, dass die «Beeinträchtigung» eines Menschen kontextabhängig ist. «Einerseits wird aus medizinischer Sicht definiert, wer als beeinträchtigt gilt, andererseits hat eine Beeinträchtigung immer auch mit der Umwelt zu tun», erklärt Käser. Wenn zum Beispiel eine Person im Rollstuhl ein Gebäude nicht betreten kann, weil der Zugang nur über Treppen möglich ist, dann wird sie durch die Konstruktion beeinträchtigt. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass ein barrierefreies Umfeld zu weniger Beeinträchtigungen führt, in dem Menschen produktiv arbeiten können.
Viele Arbeitgeber kennen den Ansatz des «Job Caving», bei dem die Kandidat/-innen im Mittelpunkt stehen: Diese werden beraten und unterstützt, um eine passende Stelle zu finden. Ein anderer Ansatz ist «Inclusive Job Design», der auch von der Stiftung Profil angewendet wird. Hier steht der Arbeitgeber im Mittelpunkt und es wird geprüft, ob es Möglichkeiten gibt, Arbeitsplätze so anzupassen oder neu zu schaffen, dass sie auch für Menschen mit einer IV-Rente geeignet sind. «Wir gehen in die Betriebe und schauen, welche Arbeiten übernommen werden könnten. Dann wird ein Tätigkeits- und Anforderungsprofil erstellt», sagt Käser.
Sinnvolle Barrierefreiheit, die auch genutzt wird, sollte gut durchdacht sein und autonom – also ohne fremde Hilfe funktionieren. Lamontagne-Müller veranschaulicht dies eindrucksvoll am Beispiel des Schienenverkehrs: «Wenn ich mit der Bahn fahre, möchte ich selbstständig von A nach B kommen». In dem Moment, in dem sie darauf angewiesen ist, dass das Zugpersonal sie mit ihrem Rollstuhl in den Zug hievt und sie sich dafür anmelden muss, ist ihre Flexibilität eingeschränkt: «Wenn mein Meeting wegen einer wichtigen Diskussion länger dauert als geplant, habe ich zwei Möglichkeiten: Die erste ist, ich fahre trotzdem wie geplant mit dem Zug, für den ich angemeldet bin, und verpasse die Debatte. Die zweite Möglichkeit ist, ich bleibe und verpasse den Zug, für den ich mich angemeldet habe, und weiss nicht, wie ich nach Hause komme. Beides sind keine guten Optionen, um das professionelle Arbeitsleben zu meistern.
Wenn ein Arbeitgeber Massnahmen ergreifen will, um die Situation für Menschen mit Beeinträchtigungen zu verbessern, ist der beste Weg immer, die betroffenen Menschen selber zu fragen. Sie sind die Expert/-innen und sie wissen, was sie brauchen. «Auch wenn dies eigentlich logisch ist, geschieht dies allzu oft leider nicht», sagt Lamontagne-Müller. Alternativ können auch Organisationen, die sich mit dem Thema auskennen, angefragt werden.
«Mit einem diversen Team ist es nicht getan, sondern es braucht auch Inklusion. Das ist eine Frage der Einstellung und der Kultur», sagt Perret. Wird Inklusion richtig gelebt, bringt sie dem Unternehmen viele Vorteile: Die Kreativität der Teams steigt, die Mitarbeitenden sind gesünder, die Reputation des Unternehmens verbessert sich, um nur einige zu nennen. Gerade Menschen mit Beeinträchtigungen hätten viel zu bieten, sagt auch Lamontagne-Müller. Weil sie es gewohnt sind mit Hindernissen im Sinne von Problemlösungen umzugehen, sind sie oft sehr ausdauernd, teamfähig und haben viel kreatives Potenzial.