Inklusive Führung ist eine Kernkompetenz

Barbara Fry über die Kernkompetenz der Inklusiven Führung
Diversität und Inklusion sind keine kurzfristigen Trends, denn die Arbeitswelt ist vielfältiger geworden. Doch wie geht man mit dieser Vielfalt kompetent um? Das Stichwort heisst inklusive Führung.

Das Wichtigste in Kürze

  1. Vielfalt als Realität
    Die bestehende Vielfalt in Teams, z.B. Alter, Herkunft, Ausbildung, oder Geschlecht, erfordert Diversitätskompetenz
  2. Fachkräftemangel
    Erhöht die Wichtigkeit der Diversitätskompetenz
  3. Heterogene Teams
    Sind produktiver und kreativer, wenn sie kompetent, d.h. inklusiv, geführt werden und eine wertschätzende Kultur gelebt wird
  4. Wichtige Kompetenzen
    Offenheit, Lernbereitschaft, Werteorientierung, und Bewusstsein für Unconscious Bias

Diversität und Inklusion sind keine kurzfristigen Trends, denn die Arbeitswelt ist vielfältiger geworden. Doch wie geht man mit dieser Vielfalt kompetent um? Das Stichwort heisst inklusive Führung. Mit ihr gelingt es Führungskräften, eine wertschätzende Arbeitskultur zu schaffen, in der sich alle zugehörig fühlen und sich alle Talente entfalten können.

Was ist inklusive Führung?

Inklusiv führen heisst, die Vorteile und Herausforderungen rund um Vielfalt zu verstehen und einen bewussten Umgang damit zu praktizieren. Wie Führungspersonen mit Vielfalt umgehen, prägt das Arbeitsklima. Grundsätzlich heisst inklusiv führen: Organisationswerte als gemeinsame Basis, respektvolle Gesprächskultur, Fragen stellen, den Dialog fördern, psychologische Sicherheit herstellen.

Um Inklusion im Alltag zu erhöhen, lohnt es sich, typische Arbeitssituationen zu überprüfen: «Wie läuft das genau bei uns? Können sich alle einbringen? Und wie erkenne und fördere ich Talente?» Wichtige Situationen sind z.B. Meetingkultur, Feedbackgespräche, Aufgabenzuteilung, Leistungsbewertungen, Laufbahnentwicklungen, oder hybrides Teamwork. Bei dieser Analyse kann die Unterstützung von D&I-Fachpersonen hilfreich sein.

Arbeitswelt im Wandel: weshalb es Diversitätskompetenz braucht

Die (Arbeits)-Welt verändert sich.

  • In der Schweiz gab es durch die vier Sprachregionen schon immer eine grosse Vielfalt. Durch den Zuzug vieler ausländischer Fachkräfte hat diese Vielfalt weiter zugenommen, und viele Unternehmen integrieren Teams aus dem Ausland.
  • Frauen waren noch nie so gut ausgebildet wie heute, und die bessere Einbindung dieses Potenzials bringt volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich viele Vorteile
  • Während früher die meisten in Kleinfamilien lebten, gibt es heute viel mehr Lebensformen: Alleinlebende, Patchworkfamilien etc.
  • Am Arbeitsplatz treffen die Bedürfnisse verschiedener Generationen aufeinander, die oft sehr unterschiedlich sind

Damit einher geht ein gesellschaftlicher Diskurs über Chancengleichheit, Fairness und Vielfalt. Ein starker Motor dieser Debatte war und ist die Gleichstellung von Frau und Mann. Nach wie vor sind Frauen in mittleren und höheren Führungspositionen unterrepräsentiert, und Mutterschaft führt in den meisten Fällen zu einem Karriere- und Einkommensknick. Im organisatorischen Kontext umfasst Diversity jedoch viele weitere Dimensionen wie z.B. Behinderung, Alter, Bildung, sexuelle Identität/Orientierung, Herkunft etc.

In den meisten Unternehmen ist die Belegschaft also heterogener geworden und die Erwartungen und Ansprüche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gestiegen. Hinzu kommt der Fach- und Arbeitskräftemangel. Der kompetente Umgang mit Vielfalt und die Förderung einer wertschätzenden Kultur sind wichtige Erfolgsfaktoren in einer Arbeitswelt im Wandel. Inklusive Führung ist deshalb eine Kernkompetenz. Damit erhöhen Organisationen ihre Chancen, Talente zu gewinnen und zu halten, und das Potenzial einer vielfältigen Belegschaft zu nutzen.

Dank Inklusion das Potenzial von vielfältigen Teams ausschöpfen

Inklusion ist die Voraussetzung dafür, dass heterogene Teams gut funktionieren und die Vorteile der Vielfalt zum Tragen kommen. Bei Inklusion geht es um Chancengleichheit, Wertschätzung und Zugehörigkeit. Wertschätzung und Zugehörigkeit sind «weiche» Begriffe, aber wir alle kennen Momente, in denen wir uns nicht wertgeschätzt und zugehörig gefühlt haben. Darunter kann unsere Motivation und Leistungsbereitschaft leiden.  Wenn wir uns das vor Augen führen, wird deutlich, wie wichtig diese Themen sind.

Heterogene Teams sind aber nicht automatisch im Vorteil. Neu zusammengesetzte heterogene Teams brauchen zum Beispiel länger, um Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zu überwinden. Gleichzeitig nutzen sie Informationen besser und sind weniger anfällig für Gruppendenken. Mit anderen Worten: Heterogene Teams arbeiten nur dann besser als homogene, wenn es eine gute Inklusions- und Diversitäts-Kompetenz gibt. Insgesamt ist die Datenlage jedoch eindeutig: Vielfältige Teams sind homogenen Teams in vielerlei Hinsicht überlegen.

Führungskräfte müssen kompetent mit der Vielfalt im Team umgehen können, sich ihrer unbewussten Vorurteile bewusst werden – wir alle haben sie – und eine Kultur der Wertschätzung und Offenheit vorleben.

Wie geht inklusive Führung: Grundsätze

Die folgenden Kompetenzen sind für Führungskräfte grundlegend, um kompetent mit Vielfalt umzugehen und das Potenzial von Vielfalt voll auszuschöpfen:

  • Empathisch sein: Versuchen, die Welt aus der Perspektive eines anderen Menschen zu sehen.
  • Neugierig sein: Den Willen haben, Neues über andere und sich selbst zu lernen.
  • Unconscious Bias kennen: Wir alle haben Unconscious Bias. Es ist wichtig, sich dessen bewusst zu sein.
  • Fragen stellen: Niemand weiss alles.
  • Offene Kommunikation vorleben.
  • Feedback-Kultur: Fehler machen ist okay, wichtig ist, dass man daraus lernt.

Wie geht inklusive Führung: Praxisbeispiele

In der Praxis ist es die Summe der kleinen und grossen Entscheidungen von Führungspersonen, die darüber entscheidet, ob eine Kultur der Inklusion gelebt wird und alle die gleichen Chancen auf (Be-)Förderung und persönliche Entwicklung haben.

Gerade bei Leistungsbeurteilungen und Beförderungen kann der Einfluss von Unconscious Bias problematisch sein. Hier ist Selbstreflexion wichtig: Habe ich objektive Bewertungskriterien, die ich auch begründen und vergleichen kann? Schicke ich z.B. eine Person 55+ noch zur Weiterbildung (Alters-Bias), oder ist Teilzeit ein Beförderungskiller (Teilzeit-Bias?

Praxisbeispiel 1: Leistung bewerten und Potenzial einschätzen

Studien zeigen, dass Leistung bei Männern und Frauen unterschiedlich bewertet wird. Was tun, um hier möglichst fair und unvoreingenommen zu bleiben?

  • Gezielte Beurteilungskriterien festlegen und transparent kommunizieren
  • Klare Aufgaben und messbare Ziele setzen
  • Leistungen und Verhalten monatlich festhalten und mit Kriterien vergleichen
  • Regelmäßige Feedback- und Karrieregespräche
  • Feedback: sowohl positiv als auch konstruktiv und auf Organisationsziele bezogen
  • Kompetenzen: Vorhandene anerkennen und aufzeigen, wie zusätzliche erworben werden können
  • Proaktiv Entwicklungsmöglichkeiten aufzeigen

 

Praxisbeispiel 2: Stereotyp Mutterschaft

Der Mutterschafts-Bias beschreibt die unbewusste Annahme, dass Mütter weniger an ihrer beruflichen Entwicklung interessiert und/oder weniger kompetent sind. Wenn wir in Ruhe darüber nachdenken, sehen wir natürlich, dass diese automatische Annahme problematisch ist, aber unbewusst spielen solche Stereotypen eine grosse Rolle.

Das führt dazu, dass Mütter bei Einstellungen und Beförderungen in Führungspositionen weniger berücksichtigt werden und dass sie beim Gehalt schlechter eingestuft werden als Frauen ohne Kinder.

Um dem entgegenzuwirken, ist es hilfreich, wenn sich Führungskräfte zum Beispiel darauf besinnen, die Leistung einer Person zu belohnen und nicht ihre Anwesenheit (da Mütter oft weniger anwesend sind). Wichtig sind klar kommunizierte, objektive Entscheidungskriterien.

Praxisbeispiel 3: Teammeetings als Test

Besprechungen sind eine gute Plattform, um zu sehen, wie ein Team funktioniert. Die Qualität der Gesprächskultur gibt gute Hinweise darauf, ob sich alle einbringen können und wie mit Fehlern umgegangen wird. Eine Idee wäre zum Beispiel, dass ein Teammitglied drei Monate lang beobachtet, was in den Besprechungen passiert. Dabei können folgende Punkte beobachtet werden

  • Gibt es Personen, die regelmässig die Diskussion dominieren?
  • Hören wir einander zu und haben alle den Mut, auch ungewöhnliche Ideen zu äussern?
  • «Gestohlene Ideen»: Kommt es vor, dass eine Person eine Idee äussert, diese nicht beachtet wird und später eine andere Person die gleiche Idee äussert und dafür Anerkennung erhält?
  • Sind die Sitzungszeiten für alle (auch für Personen mit Betreuungspflichten) günstig?
  • Ist allen klar, wer welche Kompetenzen und Erfahrungen in die Sitzung einbringt?

Inklusive Führung sieht Vielfalt als Chance

Sich der eigenen unbewussten Vorurteile oder Vorlieben bewusst zu werden, trägt wesentlich zu einer inklusiven Kultur bei. Das beginnt bei der Selbstreflexion alltäglicher Dinge: Mit wem gehe ich gerne Kaffee trinken und warum? Weil die Person gleich alt ist? Weil sie aus dem gleichen Kulturkreis kommt? Wen frage ich regelmässig nach seiner Meinung und warum gerade diese Person? Nehme ich Teammitglieder, die häufig im Homeoffice arbeiten gleich ernst wie jene, die oft im Büro sind?

Wer sich selbst hinterfragt, entdeckt oft Neues über sich. Diversitäts-Kompetenz bei Führungskräften ist eine Chance: für die einzelnen Teammitglieder, für den Teamerfolg und nicht zuletzt für die Führungskraft selbst. Inklusive Führung ist eine spannende Aufgabe und eine Kernkompetenz in einer sich schnell verändernden Arbeitswelt. Unternehmen sollten daher ihr Weiterbildungsangebot für Führungskräfte um Trainings zu Diversitätskompetenz und inklusiver Führung ergänzen.

Mehr zu diesem und weiteren Führungstehemen im CAS Leadership & Inclusion.