«KI» und ethische Verantwortung

Peter Kirchschlaeger über «KI» und ethische Verantwortung
Das Potenzial von «KI» kann in beide Richtungen ausschlagen: Es kann sehr positive, aber auch sehr negative Auswirkungen auf den Menschen haben. Rochester-Bern Dozent Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger erklärt, wie man das Beste aus dem Potenzial herausholen kann und welche Lösungsansätze es gegen die negativen Folgen der «KI» gibt. Und er zeigt auf, warum der Begriff «Intelligenz» im Zusammenhang mit «KI» eigentlich irreführend ist.

Positives Potenzial der «KI»

“Bevor wir zu den negativen Potenzialen von «KI» kommen, lohnt es sich, auch die positiven Potenziale von «KI» zu betrachten», so Prof. Dr. Kirchschläger. Denn die neuen Technologien eröffnen auch viele Chancen. So haben Forschende der ETH beispielsweise entdeckt, dass sie mit «KI» Brustkrebszellen sehr schnell erkennen. Vieles von diesem positiven Potenzial kann noch erkannt, entwickelt und für die Zukunft genutzt werden.

Negative Potenziale der «KI»

«KI» löse aber auch Entwicklungen aus, die nichts Gutes verheissen. «Diese müssen wir gezielt adressieren, um sie in den Griff zu bekommen», so Kirchschläger. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit Daten. Das Menschenrecht auf Schutz der eigenen Daten wird immer wieder verletzt: Daten werden geklaut und weiterverkauft.

«Datenschutz ist wichtig, weil er die Freiheit betrifft», sagt Kirchschläger. Wir verhalten uns anders, wenn wir überwacht werden – das ist ein Eingriff in unsere Freiheit. Hinzu kommt, dass Datenschutzverletzungen dazu genutzt werden können, Menschen gezielt politisch und wirtschaftlich zu manipulieren. Dabei kann unterschieden werden zwischen Beeinflussung – z.B. ein Werbeplakat, das klar als solches erkennbar ist und kritisch hinterfragt werden kann und Manipulation – man wird in eine Richtung gelenkt, ohne es zu merken. Die Folge von Manipulation kann der Kauf von Dingen sein, die man gar nicht braucht, oder die Stimmabgabe in einer Art und Weise, die einem letztendlich zum Nachteil wird.

Begriff-Klarheit als erster Schritt zur Lösung

Genau zu identifizieren, was die Technologien bedeuten, kann helfen, die negativen Auswirkungen von «KI»  zu bekämpfen. «Ist der Begriff KI  überhaupt korrekt? Ist das Wort ‘Intelligenz’, so wie wir es verwenden, wirklich angemessen?», fragt Kirchschläger. Seiner Meinung nach nicht. Denn wenn wir «KI»  mit menschlicher Intelligenz vergleichen, stellen wir fest, dass sie sehr unterschiedlich sind: In manchen Bereichen, wie etwa dem Rechnen und dem Detailgedächtnis, ist «KI»  dem Menschen weit überlegen. In anderen Bereichen, wie dem Sozialen oder Emotionalen, ist die Fähigkeit der «KI»  nicht vorhanden und kann nur vorgetäuscht werden.

«Stellen Sie einen Pflegeroboter so ein, dass er weint, wenn die Patient/-innen weinen, dann wird er das tun. Stellen Sie ihn so ein, dass er die Patient/-innen ohrfeigt, wenn sie weinen, dann wird er das auch tun. Eine Maschine hat keine Moralfähigkeit. Sie kann nicht erkennen, was gut und was schlecht ist – und wird es wahrscheinlich auch nie können», sagt Kirchschläger. Er schlägt deshalb vor, nicht mehr von «KI», sondern von datenbasierten Systemen (DS) zu sprechen. «Das beschreibt ihre Fähigkeiten viel besser und es wird nicht fälschlicherweise angenommen, dass es sich um eine Intelligenz handelt, die moralische und ethische Abwägungen treffen kann», so Kirchschläger.

Lösungsansätze für mehr Ethik

Oft werden DS lange erarbeitet und am Ende des Prozesses meldet sich z. B. eine Ethikkommission oder der Gesetzgeber und blockiert das ganze Projekt. Kirchschläger schlägt daher vor, diesen Ablauf umzukehren: «Ethik sollte von Anfang an in den Prozess integriert werden». Die Interaktion der Technologien mit Ethik in allen Projekten mit DS von Anfang an ist daher sein erster Lösungsansatz.

Einen zweiten Aspekt für die Förderung von Ethik sieht Kirchschläger in der Idee der «menschenrechtsbasierten DS». Die Menschenrechte schützen zweierlei: Das physische Überleben des Menschen und ein menschenwürdiges Dasein. Für die Wirtschaft sind die Menschenrechte wichtig, weil sie zum Beispiel das Recht auf Eigentum schützen – sie garantieren, dass ich das, was ich verdiene, auch behalten darf. Für Wissenschaft, Forschung und Innovation sind sie wichtig, weil sie sicherstellen, dass hinterfragt und frei gedacht werden kann (Recht auf freie Meinungsäusserung). Genau so sollten sie auch Bestandteil der DS sein.

Der dritte Ansatz ist eine internationale Agentur für DS (IDA) bei der UNO. «Auf internationaler Ebene sollte diskutiert und entschieden werden, was DS darf und was nicht. Darüber hinaus sollte die Agentur die nötige Macht haben, Massnahmen zu ergreifen, wenn die aufgestellten Regeln nicht eingehalten werden. «Die internationale DS-Agentur sollte dem Modell der internationalen Atomenergiebehörde folgen», so Kirchschläger.

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