Unternehmenskultur und digitale Transformation

Unternehmenskultur
«Culture eats strategy for breakfast and technology for lunch». Dieses Zitat stammt ursprünglich von Peter Drucker und wurde von MIT-Professor Bill Aulet weiterentwickelt. Die Botschaft ist klar: Die beste Strategie und die besten technologischen Tools nützen nichts, wenn die Mitarbeitenden sie nicht mittragen und anwenden – der Schlüssel dazu ist die Unternehmenskultur.

Allzu oft klafft eine Lücke zwischen geplanter Strategie und Umsetzung sowie zwischen vermeintlicher und tatsächlicher digitaler Kompetenz der Mitarbeitenden. Ein wichtiger Faktor, um dies zu ändern, ist eine entsprechende Unternehmenskultur. Was aber macht eine Unternehmenskultur aus? Inwiefern beeinflusst sie, wie die digitale Transformation in einem Unternehmen erfolgreich umgesetzt werden kann? Und welche Rolle spielt der Verwaltungsrat?

«Die Unternehmenskultur umfasst Handlungs- und Vorgehensweisen, Umgangsformen sowie Artefakte, die eine ethische Basis von Prinzipien, Werten und Normen zum Ausdruck bringen», sagt Prof. Dr. Peter G. Kirchschläger, Ethikprofessor an der Universität Luzern sowie Gastprofessor an der ETH Zürich sowie Dozent bei Rochester-Bern. Im Gegensatz zur normativen Managementebene ist die Kultur nicht direkt greifbar. Sie hat sich oft über Jahre in einem Unternehmen etabliert und ist schwer zu beeinflussen. Trotzdem – oder gerade deshalb – ist es umso wichtiger, das Thema anzugehen. Denn Kultur und die digitale Transformation hängen eng zusammen

«Digitalisierung fällt nicht vom Himmel»

Führungskräfte und Mitarbeitende tragen die Verantwortung für die digitale Transformation im Unternehmen. Sie haben die Möglichkeit den Prozess zu gestalten und die richtigen Entscheidungen zu treffen. «Digitalisierung fällt nicht vom Himmel», so Kirchschläger. Eine gute Unternehmenskultur zeichnet sich dadurch aus, dass ethische Grundsätze, Werte und Normen gelebt werden und Mitarbeitende ihr Potenzial ausschöpfen, sich entfalten und weiterentwickeln können – zum Wohle des Unternehmens. Das gilt auch für die digitale Transformation. «Führungskräfte und Mitarbeitende sollten Digitalisierung im Dienste einer humanen und nachhaltigen Zukunft für die Menschheit und den Planeten einsetzen und auf diesen Zweck fokussiert ausrichten», sagt Kirchschläger.

Die ethische Basis erhalten

Die digitale Transformation verändert die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten (weniger analoge zwischenmenschliche Interaktionen). Dabei ist es wichtig, dass  «die ethische Basis von Prinzipien, Werten und Normen sich nicht verändert, sondern auch im Rahmen eines technologiebasierten Wandels gelebt wird», so Kirchschläger. Grundsätzlich gilt, dass Unternehmen, die ihre ethische Verantwortung im Rahmen der Digitalisierung wahrnehmen, eine digitale und innovationsfreundliche Unternehmenskultur schaffen, weil sie damit das Vertrauen ihrer Mitarbeitenden gewinnen.

Hohe Risiko- und Fehlertoleranz führt zu kreativen Lösungen und steiler Lernkurve

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Universität des Saarlandes sowie die Frankfurt School of Finance & Management haben in einer Gemeinschaftsstudie zu Thema Erfolgsfaktoren für Digitalisierung folgende zentrale Erkenntnis gewonnen: Eine Organisationskultur, die sich durch eine hohe Risiko- und Fehlertoleranz auszeichnet, fördert die digitale Transformation. Denn in einer solchen Kultur trauen sich Mitarbeitende, neue Technologien und Prozesse auszuprobieren, ohne Angst vor Sanktionen zu haben. Dies beschleunigt kreative Lösungen. Fehler werden als Lernchancen genutzt und Unternehmen reagieren flexibler auf technologische Veränderungen, weil sie Risiken proaktiv angehen.

Kultur der Veränderungsbereitschaft beschleunigt Digitalisierungsprozesse

Relativ offensichtlich ist auch, dass eine Kultur der Veränderungsbereitschaft sich positiv auf Digitalisierungsprozesse in Unternehmen auswirkt. Menschen sind Gewohnheitstiere, und Veränderungen umzusetzen ist immer eine Herausforderung. Im Zuge der digitalen Transformation hat sich dies verschärft: Denn Veränderungen stehen schneller und häufiger an. Eine Kultur, in der sich Mitarbeitende nicht gegen Veränderungen wehren, sondern diese mittragen, ist daher von entscheidendem Vorteil. Dies wiederum führt zurück zum Thema «Kultur, Ethik und digitale Transformation», da «die Veränderungsbereitschaft der Mitarbeitenden für die Realisierung von Digitalisierungsstrategien von einer authentischen und kohärenten Unternehmenskultur lebt», so Kirchschläger.

Sicherheit in Zeiten der Ungewissheit bieten

Die digitale Transformation fordert von Unternehmen Innovation und Dynamik. Diese Volatilität kann für Mitarbeitende beängstigend sein. Eine Kultur, in der nachhaltige Perspektiven gefördert werden, bietet Sicherheit. Wenn es viele Veränderungen gibt, kann eine stabile Kultur, die eine klare Richtung vorgibt, einen sicheren Hafen darstellen. Mitarbeitende, die wissen, dass sie offen über ihre Sorgen und Probleme sprechen können, für die klar ist, dass sie auch Fehler machen dürfen, solange sie daraus lernen – für diese Mitarbeitenden ist es leichter, mit Unsicherheiten von Aussen umzugehen.

Unternehmenskultur – Eine Verwaltungsratsaufgabe?

Gemäss einer PWC-Studie geben 29 Prozent der Verwaltungsrät/-innen in den USA an, dass mangelnde Kontrolle durch den Verwaltungsrat zu Problemen in der Unternehmenskultur geführt hat. Trotzdem tun sich Verwaltungsrät/-innen schwer mit dem Thema Kultur: Oft verlassen sie sich in diesem Punkt auf den CEO und die Geschäftsleitung. Teilweise fehlen ihnen auch die entsprechenden Kompetenzen. 

Der Verwaltungsrat hat jedoch Handlungsmöglichkeiten, um die Unternehmenskultur positiv zu beeinflussen: Als erste Massnahme kann der Verwaltungsrat mit gutem Beispiel vorangehen, getreu dem Motto «Tone at the top». Ist der Verwaltungsrat offen für Neues? Wie arbeitet das Gremium zusammen? Setzt der Verwaltungsrat neue digitale Technologien ein?

Verwaltungsräte sollten sich auch damit auseinandersetzen, welche Kultur sie sich wünschen und dies explizit kommunizieren. Eine weitere Handlungsoption besteht darin, sich von anderen Unternehmen inspirieren zu lassen, die eine gute Kultur haben und digital fortschrittlich sind. Wie gehen sie miteinander um? Wie setzen sie neue Technologien ein? Die Unternehmenskultur wird auch durch die Personalauswahl beeinflusst. Der Verwaltungsrat kann sich bei neuen GL-Mitgliedern die Fragen stellen: Passt diese Person in unsere Unternehmenskultur? Ist diese Person bereit, neue digitale Innovationen mitzutragen oder gar zu initiieren?

Unternehmenskultur als Basis

Der Spruch: «Culture eats strategy for breakfast and technology for lunch» klingt auf den ersten Blick etwas provokativ, bei genauem hinschauen, enthält er überraschend viel Wahrheit. Eine Kultur der Offenheit, des Vertrauens und der Risikobereitschaft ist die Basis dafür, dass die digitale Transformation in einem Unternehmen gelingt.  Gleichzeitig ist die Führung – und auch der Verwaltungsrat – im Lead, um für eine aktive Umsetzung zu sorgen, die den Werten des Unternehmens entspricht.

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