ChatGPT – Gekommen, um zu bleiben

ChatGPT
Für kleine und mittlere Unternehmen in der Schweiz kann der Einsatz von KI-Technologien wie ChatGPT einen echten Wettbewerbsvorteil darstellen. Vier Rochester-Bern Alumni erzählen, wie sie ChatGPT in ihrem Bereich nutzen.

Dies ist ein von ChatGPT erstelltes Bild, in dem ChatGPT sich selbst darstellt.

«Was wir erleben, wird die Welt für immer verändern», sagt Bernhard Bühlmann, CEO von ELIZA. Er meint damit ChatGPT und dessen Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Das Tool wird als Unterstützung in administrativen Bereichen, als Sparringspartner in Analyse und Strategie und sogar zur Steuerung von Produktionsprozessen eingesetzt. Zurzeit gibt es noch grosse Unterschiede zwischen den Schweizer Unternehmen. «Einige Firmen setzen KI schon lange ein, während andere noch gar nicht mit den neuen Tools vertraut sind», sagt Dave Mürner, Gründer von Nordfabrik. Dem stimmt auch Bühlmann zu, der beobachtet, dass viele seiner Kundinnen und Kunden ChatGPT belächeln und (noch) nicht verstehen, welches Potenzial dahinter steckt. «ChatGPT hat den Durchbruch geschafft, weil es die Technologie so einfach zur Verfügung stellt» ergänzt Daniel Aebersold, Co-Lead Strategie und Verwaltungsrat der Nexplore AG. Doch wie können KMU ChatGPT erfolgreich Einsetzen?  

Der neue Mitarbeitende mit unbekannten Fähigkeiten

«In der Nordfabrik AG setzen wir ChatGPT bereichsübergreifend ein», sagt Dave Mürner, VRP und Gründer von Nordfabrik – ein Beratungsunternehmen u.a. zu den Themen SEO, SEA und KI. Er rät seiner Kundschaft, ChatGPT wie einen neuen Mitarbeitenden zu betrachten – einen, dessen Fähigkeiten und Kenntnisse noch unbekannt sind. «Fragen sie ChatGPT nach seinen Fähigkeiten und wie er sie in diesem oder jenem Bereich unterstützen kann. ChatGPT gibt sehr aufschlussreiche und wertvolle Informationen über sich selbst und seine Arbeitsweise», sagt Mürner. 

Grundsätzlich zeigt die Erfahrung von Mürner, dass ChatGPT vor allem bei Routineaufgaben wie der Analyse von SEO-Daten gut einsetzbar ist. «ChatGPT ist bei wiederkehrenden Tätigkeiten oft weniger fehleranfällig als Menschen und bietet hier eine hervorragende Unterstützung», so Mürner. Eine Stärke von ChatGPT ist es auch, komplexe Sachverhalte einfach zu vermitteln; z.B. kann man einen komplexen Bericht eingeben und ChatGPT eine Zusammenfassung erstellen lassen. Das Tool eignet sich ebenfalls für Brainstorming, Texterstellung und -korrektur. 

Auch im Verwaltungsrat müsse das Thema behandelt werden: «ChatGPT gehört nicht erst morgen, sondern schon gestern auf die Traktandenliste des Verwaltungsrates. KI hat praktisch in jeder Branche einen Einfluss», so Mürner. Es liege in der Verantwortung des Verwaltungsrates, sich des strategischen Potenzials, aber auch der Gefahren und Risiken von KI bewusst zu sein. «Das Management setzt KI im operativen Geschäft meist schon ein – aber gerade in KMU wissen viele oft nicht, wie sie damit umgehen sollen», sagt Mürner. Es sei daher die Aufgabe jedes Verwaltungsrates, der Geschäftsleitung die entsprechenden strategischen Vorgaben und Impulse für einen zukunftsorientierten Umgang mit KI zu geben. 

Bei der Nutzung von ChatGPT ist jedoch auch Vorsicht geboten. Manchmal sehen die Antworten sehr überzeugend aus, sind aber völlig falsch und erfunden. «Wir empfehlen dringend, ChatGPT als Unterstützung und Partner für den Menschen zu sehen und dem Tool niemals einfach im blinden Vertrauen, Aufgaben auszulagern», so Mürner. Hinzu kommen Fragen des Datenschutzes und des Urheberrechts. Beim Einsatz von ChatGPT ist es sinnvoll, klare Richtlinien zu haben, was Mitarbeitende in den Chat stellen dürfen und was nicht. «Die rechtlichen Vorgaben in diesem Bereich sind in weiten Teilen noch nicht klar definiert», so Mürner. 

Teil eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements

ELIZA ist der Name eines Computerprogramms, das Joseph Weizenbaum 1966 entwickelte, um die Möglichkeiten der Kommunikation zwischen Mensch und Computer in natürlicher Sprache zu demonstrieren. Mehr als 55 Jahre später wird diese Vision mit ChatGPT Wirklichkeit. Alumnus Bernhard Bühlmann griff die Idee auf und gründete vor vier Jahren die gleichnamige Firma ELIZA – ein Qualitätsmanagement-Tool, das sämtliche Prozesse eines Unternehmens effizient digitalisiert. «Die Vision von ELIZA ist ein Tool, das dank Hintergrundinformationen auf alle möglichen Fragen die richtigen Antworten liefert», sagt Bühlmann. Inspiriert wurde die Idee unter anderem durch das Rochester-Bern Programm CAS Verwaltungsrat, das Bühlmann absolviert hat. «Als wir uns die verschiedenen Führungsinstrumente angeschaut haben, habe ich mich immer wieder gefragt: Könnten wir nicht alle wichtigen Informationen, die wir für die Führung brauchen, digital in einem System zusammenfassen? So entstand ELIZA», sagt Bühlmann. 

ELIZA hat ChatGPT integriert, was mehrere Vorteile bietet: Zum einen können Unternehmen mit ELIZA allen Mitarbeitenden Zugang zu einer lizenzierten Version von ChatGPT gewähren. «Ohne ELIZA ist es für Unternehmen sehr teuer und kompliziert, allen Mitarbeitenden Zugang zu geben. Mit ELIZA benötigen Unternehmen nur eine zentral registrierte, lizenzierte Version und alle Mitarbeitenden können diese nutzen», so Bühlmann. Ein zweiter Vorteil ist, dass mit ELIZA bereits Informationen über das Unternehmen und auch bestimmte Fragen hinterlegt werden können. Das vereinfacht die Nutzung von ChatGPT und senkt die Hemmschwelle. Ein dritter Vorteil ist die höhere Datensicherheit – während bei ChatGPT alle Daten an OpenAI gehen, werden bei ELIZA keine Daten weitergegeben. 

Auch in seiner Rolle als Verwaltungsratspräsident von ELIZA spielt ChatGPT für Bühlmann eine wichtige Rolle – und zwar auf zwei Ebenen: Zum einen sei es die Aufgabe jedes Verwaltungsrates, dafür zu sorgen, dass ChatGPT im Unternehmen genutzt und eingesetzt wird. Ein guter Anfang sei meist, wenn Unternehmen damit beginnen, Offerten und E-Mails mithilfe von ChatGPT zu erstellen. «Das ist ein guter Einstieg, damit sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an ChatGPT gewöhnen. Denn wer jetzt nicht anfängt, wird früher oder später abgehängt», so Bühlmann. Der zweite Aspekt ist, dass Verwaltungsräte ChatGPT auch selbst als Tool nutzen können: «Bei vielen VR-Tätigkeiten kann ChatGPT helfen, einen ersten Entwurf zu erstellen, z.B. von Vision, Mission, Risikomanagement und Jahresplanung. Der Anwendung sind keine Grenzen gesetzt», so Bühlmann. 

Wie bei jedem Instrument mit grosser Wirkung gibt es auch Schattenseiten. «Das Betrugspotenzial ist gross», sagt Bühlmann. Zudem sei der Zug für eine sinnvolle Regulierung abgefahren. «Das ist so, als ob es die Anleitung für eine Atombombe im Internet gäbe und man alle Materialien dafür im Supermarkt kaufen könnte», beschreibt Bühlmann die Situation. Zu den Gefahren gehört zum Beispiel Deep Fake: die Möglichkeit, gefälschte Fotos und sogar Videos von Personen zu erstellen. Oder auch Hacking. «Jeder kann einer KI den Auftrag geben, sich irgendwo einzuhacken. Die KI kann diesen Auftrag dann selbst programmieren und ausführen, ohne dass ein Mensch Einfluss nehmen kann», so Bühlmann. Im Moment ist es somit wichtig, dass sich Unternehmen dessen bewusst sind und genau aufpassen, was sie ins Netz stellen wollen und was nicht – auch auf der Webseite. 

Vom Spielzeug zum Selbstläufer mit disruptivem Charakter

«KI ist eigentlich eine alte Technologie. ChatGPT hat jedoch einen Durchbruch erzielt, indem ein Front-End geschaffen wurde, das diese Technologie für alle zugänglich macht», sagt Daniel Aebersold, Co-Lead Strategie und Verwaltungsrat der Nexplore AG, einem auf den Digital Workplace spezialisierten Digitalisierungsunternehmen. In seiner Firma wird ChatGPT bereits in allen Bereichen eingesetzt. Während einige Personen in das Tool eingeführt wurden, war es bei anderen – wie bei den Entwicklerinnen und Entwicklern – ein Selbstläufer. «Wir mussten eher darauf achten, dass wir Richtlinien einführen, um eine sichere Nutzung zu gewährleisten», sagt Aebersold. Wichtig ist ihm auch zu betonen, dass ChatGPT nur die Spitze des Eisbergs ist. «Es gibt viele Ausprägungen von KI-Tools, wie zum Beispiel Microsoft Copilot, aber auch eigene Anwendungen, die das gesamte Firmenwissen in die ChatGPT-Anwendung integrieren und damit als Wissensdatenbank der gesamten Firma dienen. Ich rate Unternehmen, die Augen offenzuhalten», so Aebersold. 

Firmen, die sich bisher noch nicht mit ChatGPT beschäftigt haben, können einen spielerischen Einstieg finden: «Kommunizieren sie den Mitarbeitenden, dass es ChatGPT gibt, und lassen sie diese spielerisch damit umgehen. Das Tool ist sehr intuitiv und die Leute werden selbst herausfinden, wie sie es einsetzen können», so Aebersold. Sobald das Tool bekannt ist, könne man weiter schauen, ob es vielleicht eine kostenpflichtige Version braucht und ob auch eine eigene abgeschottete KI-Anwendung sinnvoll wäre. Vor allem für das interne Wissensmanagement sei ein eigenes Modul oft sehr hilfreich. «Die meisten Unternehmen haben Informationen in irgendwelchen Dokumenten, die Mitarbeitenden finden sie aber im entscheidenden Moment nicht», so Aebersold. Mit einem eigenen Modul müssen sie die Informationen nicht mehr suchen, sondern können sie einfach abfragen. 

Nexplore hat z. B. bereits ein Modul für die Polizei entwickelt. Ein solches Modul ist abgeschottet und damit datenschutzrechtlich sicherer als das öffentliche ChatGPT. Auch wenn in den aktuellen Richtlinien von ChatGPT steht, dass die eingegebenen Informationen nicht für die Weiterentwicklung verwendet werden, ist hier Vorsicht geboten. In einem abgeschotteten System sind die Informationen in einer Cloud und zumindest so sicher wie in einer eigenen Datenbank. Zudem kann in der eigenen Umgebung garantiert werden, dass nur wahrheitsgetreue Informationen herausgegeben werden. «ChatGPT basiert auf Wahrscheinlichkeiten: Das Tool gibt die wahrscheinlichste Antwort aus, was aber nicht heisst, dass diese auch wahr ist», sagt Abersold. Ein firmeneigenes Tool kann so konfiguriert werden, dass es nur Antworten gibt, wenn diese auf einer bestimmten Datenquelle basieren, und wenn dem nicht so ist, sagt das Tool, dass es die Antwort nicht weiss. Gerade bei der Polizei ist das sehr wichtig. Wenn jemand fragt, wie eine bestimmte Vorschrift lautet, gibt das Tool die genaue Antwort inklusive Quelle oder sagt, dass es die Antwort nicht hat.  

«Ich finde es fahrlässig, wenn KI im Verwaltungsrat nicht thematisiert wird», sagt Aebersold bezüglich ChatGPT in Verwaltungsräten. Das Thema betreffe jedes Unternehmen und habe teilweise sogar disruptiven Charakter. Der Verwaltungsrat hat die Verantwortung, sich auf strategischer Ebene mit den Chancen und Herausforderungen von KI auseinanderzusetzen. Ein Beispiel sieht Aebersold in seinem eigenen Unternehmen: «Wir sind zu einem grossen Teil Entwickler, und die KI wird diese Dienstleistung stark verändern, weil sie die Code-Generierung sehr einfach macht.» Der Verwaltungsrat von Nexplore hat nun die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass das Unternehmen auch in Zukunft Dienstleistungen erbringt, die den Kundinnen und Kunden einen möglichst hohen Nutzen stiften. 

Sparringspartner im Asset Management

Anfang 2023 machte die Wirtschaftsagentur Bloomberg Schlagzeilen, als sie ChatGPT fragte, ob er ein Portfolio aus US-Aktien zusammenstellen könne, das den Markt schlagen würde. Hier die Antwort: « Es ist mir nicht möglich, ein Aktienportfolio zu erstellen, das den US-Aktienmarkt schlägt, da der Aktienmarkt unberechenbar ist und vergangene Performance keine Garantie für die Zukunft ist (…)». RoBe stellte ChatGPT 4.0 am 30. Januar 2024 die gleiche Frage zu Schweizer Aktien und erhielt folgende Antwort: «Ein Portfolio, das den Schweizer Markt schlägt, sollte eine ausgewogene Mischung aus Wachstums- und Wertaktien enthalten, sowie Unternehmen aus verschiedenen Sektoren wie Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Konsumgüter. Einige Beispiele: Nestlé, Novartis, UBS Group, Roche Holding und ABB. Beachten Sie jedoch, dass diese Empfehlung auf historischen Daten basiert und keine zukünftigen Ergebnisse garantiert.»  

ChatGPT scheint selbstbewusster geworden zu sein. Auch wenn die Antwort nicht weltbewegend ist, zeigt sie doch, dass KI mit einer durchschnittlichen Finanzberatung mithalten kann. Dementsprechend gibt es viele denkbare Anwendungen für die Vermögensverwaltungsbranche. Ein grosser Teil der Arbeit eines Finanzanalysten besteht darin, Informationen schnell zu finden und zu bündeln, um die richtigen Anlageentscheidungen zu treffen – etwas, das ChatGPT sehr gut kann. Darüber hinaus kann KI dabei helfen, grosse Mengen an Textdaten zu analysieren, um Portfoliokonstruktionen zu erstellen, und um Menschen dabei zu unterstützen, aufkommende Anlagethemen und -trends zu identifizieren. ChatGPT dient als eine Art Sparringspartner und Research-Assistent. Es kann Ideen bewerten, Textstrukturen testen oder Szenarioanalysen durchführen. 

CAS Verwaltungsrat RoBe-Alumnus Peter Stiefel ist Senior Sales bei RAM Active Investments – ein institutioneller Vermögensverwalter mit Sitz in Genf. Das Unternehmen setzt seit 2007 auf eine Kombination aus umfangreichen Daten und modernsten Technologien, um diversifizierte Anlagelösungen anzubieten. Auch RAM AI nutzt KI, unter anderem zur Bewertung von Unternehmen nach ESG-Standards (Environmental-Social-Governance). ChatGPT wird hier für Text-Analysen eingesetzt. So kann ChatGPT Quartals-Berichte, Social Media und andere Quellen analysieren. Bei eventuellen Kontroversen kann RAM AI direkt mit dem Unternehmen in Kontakt treten. «Wir verfolgen tausende von Unternehmen, deswegen ist die Hilfe von KI sehr wichtig», so Stiefel.  

Kein vorübergehender Trend

«Tools wie ChatGPT sind eindeutig kein vorübergehender Trend, sondern Produkte einer neuen, bahnbrechenden Technologie, die das Potenzial hat, fast alle Bereiche unseres Lebens zu revolutionieren», sagt Mürner. Und alle Anzeichen geben ihm recht. «Wenn ich mit Kundinnen und Kunden spreche, finden wir in einer Stunde bestimmt ein bis drei spannende neue Anwendungsmöglichkeiten für KI-basierte Tools. Die Einsatzfelder sind schier endlos», sagt Abersold. Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte sind deshalb gut beraten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ein einfacher, vielleicht auch spielerischer Einstieg, bei dem sich die Mitarbeitenden angewöhnen, gewisse Standardmails über ChatGPT zu verfassen, kann bereits helfen, das Tool ins Bewusstsein des Teams zu bringen. Darüber hinaus können Programme wie ELIZA oder Beratungsunternehmen wie Nordfabrik und Nexplore bei der erfolgreichen Implementierung helfen. 

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Quellen: