Arbeit neu denken – auch im Verwaltungsrat

Zwei Personen am Diskutieren
New Work ist in aller Munde – und dies ist auch berechtigt. Denn die Art und Weise wie wir arbeiten hat sich stark verändert. Grund dafür sind einerseits die neuen Technologien, welche noch nie dagewesene Möglichkeiten eröffnen. Andererseits auch die Gen Z, welche eine ganz neue Sichtweise auf die Arbeit und Arbeitskultur mitbringt. Ein Wandel, der alle Bereiche eines Unternehmens betrifft, auch den Verwaltungsrat.

New Work bedeutet, proaktiv und gemeinsam mit den Mitarbeitenden das Potenzial des Unternehmens auszuschöpfen, um so dessen Ziele zu erreichen. Ob wir es wollen oder nicht, findet New Work bereits statt und wir können uns dieser Entwicklung nicht entziehen. Im Gegenteil: Unternehmen, die das Thema vernachlässigen, bleiben früher oder später auf der Strecke. Denn die Treiber von New Work sind die digitale Transformation und gesellschaftliche Veränderungen, die uns alle betreffen. Dabei genügt es nicht, Bestehendes zu verbessern, sondern es entstehen komplett neue Produkte, Märkte und Dienstleistungen. Dies erfordert eine Anpassungsfähigkeit, die nur mit neuen Arbeitsweisen möglich ist. «Das flexible Arbeiten ist für die Produktivität, Resilienz und die personelle Erneuerung eines Unternehmens zentral und damit ein strategisches Thema», sagt Marc Holitscher, National Technology Officer bei Microsoft Switzerland. Damit erklärter, weshalb New Work ein Thema für die oberste strategische Führung ist – den Verwaltungsrat.

Warum New Work in den Verwaltungsrat gehört

Das Thema New Work setzt eine ganzheitliche Sicht auf das Unternehmen voraus. Es ist ein strategisches Thema, mit dem sich Führungskräfte systematisch auseinandersetzen sollten. Tatjana Zbinden, Chief Human Resources Officer bei isolutions, Absolventin der Weiterbildung «CAS Verwaltungsrat» bei Rochester-Bern und Verwaltungsrätin bei Löwenfels Partner AG, formuliert es wie folgt: «New Work ist viel mehr als Homeoffice, es geht nicht nur um mobiles, flexibles Arbeiten, sondern auch um zukünftige Organisationsmodelle, ein neues Führungsverständnis sowie technologische und kulturelle Entwicklungen am Arbeitsplatz. Das sind strategisch relevante Themen, welche der Verwaltungsrat anstossen, beauftragen und überwachen sollte.»

Hinzu kommt, dass die Leitung New Work nicht einfach delegieren kann, um sich dann der Verantwortung zu entziehen «’Macht mal New Work’, funktioniert nicht», sagt Yannick Blättler, Geschäftsführer und Inhaber von Neoviso, einem Unternehmen, das über Gen Z informiert. Das Thema beinhaltet eine Geisteshaltung, an der Verwaltungsrät/-innen konstant dranbleiben müssen. «Es braucht ein exploratives Mindset bezüglich Veränderungen, Formen der Zusammenarbeit und der Art, wie Dinge erledigt werden. Dadurch wird der Status Quo konstant hinterfragt und Innovation und Fortschritt werden erst möglich», ergänzt Blättler. Auch German Ramirez, Mitbegründer & Chief Relevance Officer bei THE RELEVANCE HOUSE AG, sowie Verwaltungsratsmitglied mehrerer Unternehmen bestätigt diese Aussage: «New Work wird nicht nur den Kampf um Talente erschweren, sondern darüber hinaus unser Verständnis von ‘Mitarbeitenden’ fundamental verändern. Wenn unsere Art zu Arbeiten und unser Verständnis der Rolle von Arbeit sich dermassen wandeln, aber die strategische Agenda im Unternehmen nicht mitzieht, dann haben wir ein perfektes Rezept für ein Desaster.»

Wandel im und für den Verwaltungsrat

Nicht nur das Unternehmen kann von den neuen Arbeitsweisen profitieren, sondern auch der Verwaltungsrat selbst. «Flexibilität und Freiheit gewinnen an Gewicht, jedoch herrschen in Verwaltungsräten vorwiegend alte Denk- und Verhaltensmuster», so Ramirez. Die meisten Verwaltungsräte funktionieren noch gemäss der alten Schule: Quartale Sitzungen, bei der eine Traktandenliste abgearbeitet wird, gefolgt von einem formalen Apéro. Dabei wäre eine effizientere Zusammenarbeit, die auch zu mehr Motivation und Agilität führt, wünschenswert. «Der Verwaltungsrat sollte seine eigene Zusammenarbeit hinterfragen: Wie arbeiten wir effizient? Wie tauschen wir uns aus? Und wie inspirieren wir uns?», sagt Blättler und fordert damit Verwaltungsrät/-innen auf, moderne Arbeitsweisen, auch im Gremium selbst anzuwenden und auszuprobieren.

«Neue Herausforderungen brauchen neue Lösungen», so Blättler. Und auch hier kommt New Work ins Spiel, denn das Konzept bietet moderne Ansätze, um in der heutigen Geschäftswelt zu bestehen. Ein Beispiel hierzu ist der Arbeitgebermarkt, der je länger, umso mehr von Konkurrenz geprägt ist. «Eine gute Employee Experience mit modernen und flexiblen Arbeitsmodellen, sowie eine fortschrittliche Arbeitsplatzgestaltung wird zur notwendigen Grundlage, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Nur auf diese Weise können Unternehmen ihre strategischen Ziele erreichen und weiterhin innovativ und lernfähig sein», sagt Zbinden. Auch Marc Holitscher sieht die Führung in der Pflicht: «Das Arbeiten der Zukunft muss hybrid sein und widerspiegelt ein zentrales Bedürfnis der Arbeitnehmenden. Das bringt neue Herausforderungen mit sich, insbesondere für Führungskräfte.»

Entdecken und dranbleiben

Sollte Ihr Verwaltungsrat sich also noch nicht mit New Work befasst haben, dann ist es höchste Zeit. «Wer morgen und übermorgen erfolgreich bleiben möchte, muss sich überlegen, wie New Work auf Verwaltungsrats-Ebene eingeführt und gelebt wird», sagt Ramirez. Und zwar sollte das Thema nicht einfach als einmaliges Traktandum abgehakt werden, sondern als eine neue Denkweise und vielleicht auch als Umstrukturierungsprojekt des Gremiums selbst eingeführt werden. «New Work, ist kein Pandemie-Phänomen, sondern eine Entwicklung, die bleiben wird: Der Verwaltungsrat ist in der Verantwortung, innerhalb der Organisation Akzente zu setzen, um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen», so Zbinden.